Grundsätzlich bedürfen alle Stoffe, welche in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz kommen oder in den Handel gelangen, einer gesetzlichen Zulassung. Nach heutigem Recht ist dies auch für Pflanzen und Pflanzenzubereitungen notwendig, auch wenn die Unbedenklichkeit, wie bei Stevia, eigentlich schon seit Jahrhunderten außer Frage steht. Die Entscheidung, ob ein neuer Süßstoff zugelassen wird, obliegt in Europa der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (ESFA).3
Als Zulassungsgrundlage dienen umfangreiche Tests zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit. Stevia wurde bereits seit 1931 in zahlreichen Forschungseinrichtungen untersucht, wobei in allen bisherigen Versuchsreihen die Unbedenklichkeit von Stevia bescheinigt werden konnte, außer in der sogenannten Pezzuto-Studie. Diese wurde 1985 mit sehr hohen Dosen an Ratten durchgeführt und kam scheinbar zu dem Ergebnis, dass Stevia Krebs hervorruft.16
Dieser Befund wurde in den Folgejahren jedoch mehrfach widerlegt und von der EFSA 2010 in einem Gutachten ausgeräumt.22 Hierbei ist zu erwähnen, dass die Tests von Monsanto, zu dieser Zeit führendes Unternehmen auf dem noch jungen Aspartam-Markt, finanziert wurden. Daher liegt die Annahme nahe, dass Mon-santo potenziellen Konkurrenzprodukten entsprechend kritisch begegnete. Japan war die erste Industrienation, die Stevia als Süßstoff in vollem Umfang anerkannt hat.
International: Gesund und sicher
Bereits 1954 begann dort der Anbau und die kom-merzielle Nutzung der südamerikanischen Pflanze, nachdem in zahlreichen Versuchsreihen keine toxischen Eigenschaften nachgewiesen werden konnten.
Nichts-destotrotz reagierte der Weltmarkt weiterhin mit Misstrauen, allen voran die USA als weltweit größter Süßstofffabrikant.
Diese erließen 1991 sogar ein Import- und Zulassungsverbot für den natürlichen Süßstoff. Als Cyclamat 1969 in Japan aufgrund potenzieller gesundheitlicher Risiken verboten wurde, erlebte Stevia allerdings einen regelrechten Boom, im Zuge dessen die westliche Hemisphäre ihre Skepsis gegenüber Stevia langsam abbaute. Im Jahre 2008 erließen die USA die Zulassung für den natürlichen Süßstoff, genau ein Jahr nachdem Coca Cola und wohl auch andere Großkonzerne bekanntgaben, dass ihnen Stevia bei der Produktion kalorienarmer Produkte von Nutzen sein würde.14 Bis dato sind keine seriösen wissenschaftlich belegten Fälle bekannt, die eine Unverträglichkeit von Stevia für den menschlichen Organismus konstatieren, obwohl täglich etwa eine Million Menschen Stevia-Pulver oder die isolierten Stevia-Inhaltsstoffe verwenden.
Es kann daher vermutet werden, dass in die Zulassungsdebatten nicht nur Sicherheitsbedenken einflossen, sondern vor allem politische und wirtschaftliche Interessen.
Unterstützung durch die WHO
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat alle bis dato relevanten Studienergebnisse zur Sicherheit und Unbedenklichkeit von Stevia zusammengetragen.18 Demnach wird den untersuchten Steviolglykosiden bescheinigt, dass sie weder giftig noch krebsauslösend noch erbgutschädigend sind, nicht die Fruchtbarkeit beinträchtigen, selbst in hohen Dosen (bis zu 1000 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht) keine Missbildungen provozieren, dafür aber bei vorbelasteten Menschen den Blutdruck und den Blutzuckerspiegel senken.

Die wichtigsten und bekanntesten Inhaltsstoffe der Stevia rebaudiana Bertoni sind Steviolglykoside. Sie zählen zu den Diterpenen und damit zu den sekundären Kohlenstoffverbindungen, die sich in vielen Organismen finden lassen. Bis heute wurden die Rebaudioside A, C, D und E sowie Steviosid und Dulcosid A klassifiziert.1
Dabei ist der Anteil von Pflanze zu Pflanze unterschiedlich. Mengenmäßig nehmen Stevioside (2 bis 10 Prozent der Pflanzenmasse) und die Rebaudioside A und C (2 bis 4 Prozent bzw. 1 bis 2 Prozent) den größten Platz unter den süßlichen Komponenten der Stevia ein.
Von allen Steviolglykosiden verfügt Rebaudiosid A über die stärkste neutrale Süßkraft, bei den anderen kann bei einer sehr hohen Dosis ein bitterer Beigeschmack entstehen.

Süßen ohne Kalorien
Stevia-Erzeugnisse haben nahezu keine Kalorien, was hauptsächlich auf die besondere Struktur der Steviolglykoside zurückzuführen ist.
Glykoside sind Kohlenstoffbindungen, bei denen Alkohol mit einem Zuckermolekül verknüpft ist. Beim Zuckeranteil der Steviolglykosidverbindungen handelt es sich um Glukosemoleküle, die der Körper nicht verwerten kann. So enthalten 100 Milligramm reines Steviolglykosid nur eine halbe Kilokalorie, entfalten dabei aber eine deutlich stärkere Süßkraft als herkömmlicher Zucker. Die der Süßkraft dieser Stevia-Menge entsprechende Dosierung liegt bei etwa 30 Gramm Zucker und damit einer Kalorienzufuhr von 125 Kilokalorien.1,18
Auch die enthaltenen Kohlenhydrate, die in ganzen Blättern und Tees erhalten bleiben, führen nicht zu einer Verschlechterung der Energiebilanz. Kohlenhydrate kommen in Stevia hauptsächlich in Form von pflanzlichen Struktursubstanzen vor, die im menschlichen Darmtrakt nicht verdaut werden, so gelangen Glukosemoleküle nicht ins Blut.18 In Form von Pulver, Tabs oder Granulat können Stevia-Erzeugnisse jedoch kohlenhydrathaltige Füll- oder Trägerstoffe aufweisen.
Diese werden benötigt, um eine bestimmte Konsistenz der Produkte zu garantieren. In Anbetracht der täglich verzehrten Menge Stevia sind jedoch auch die Trägerstoffe hinsichtlich der Kalorienbilanz zu vernachlässigen. Sogar Diabetiker müssen den Energiegehalt der Trägerstoffe nicht berücksichtigen. Bei hochwertigen Stevia-Produkten lassen sich neben den süßlichen Bestandteilen nur geringe Mengen an Zusätzen zur Konsistenzverbesserung finden.18
Proteine und Öle
Bei Verwendung der gesamten Stevia-Pflanze oder ihren getrockneten Blättern kann der Verbraucher auch von weiteren wertvollen Inhaltsstoffen profitieren. So stellt das Blattgrün nicht nur „leere“ Fette und Eiweiße bereit, sondern liefert dem Organismus auch essenzielle Bestandteile der Proteinbiosynthese sowie ungesättigte Fettsäuren. Der speziellen Mischung aus Proteinen und Ölen in der Stevia rebaudiana Bertoni wird unter anderem auch eine hautstabilisierende Wirkung nachgesagt.
Wertvolle Vitalträger
Folgende, für eine gesunde Ernährung essenzielle Vitalträger zählen überdies zu den Inhaltsstoffen der Stevia rebaudiana Bertoni.13,18
1) Mineralstoffe: In Stevia-Produkten lassen sich erwähnenswerte Mengen an Eisen, Kalzium, Kalium, Magnesium, Phosphor und einige weitere Mineralien finden. Diese leisten unter anderem einen Beitrag zum Aufbau einer gesunden Knochenstruktur und werden zur Blutbildung und für ein gesundes Herz-Kreislaufsystem benötigt. Einige dieser Substanzen spielen zudem bei der Aufrechterhaltung einer intakten Immunabwehr eine Rolle.
2) Spurenelemente: Von Chrom über Mangan, Silizium und Kobalt bis hin zu den lebenswichtigen Kofaktoren Zink und Selen sind in Stevia-Produkten eine Vielzahl an Spurenelementen zu finden. Diese Stoffe sind in enzymatische Prozesse involviert, die die Sauerstoffverwertung, den physiologischen Auf- und Abbau von Energieträgern und die Funktion der Ausscheidungsorgane sicherstellen.
3) Vitamine: Als wichtigstes in Stevia enthaltenes Vitamin fungiert Vitamin C, das bei der Infektabwehr eine zentrale Stellung einnimmt. Ebenfalls erwähnenswert ist das „Nervenvitamin“ B1 sowie Beta-Karotin, ein Vorläufer des Vitamin A, welches den Sehvorgang unterstützt.
Weitere Inhaltsstoffe
Noch einige weitere, pflanzentypische Inhaltsstoffe machen Stevia aus volksmedizinischer Sicht seit Jahrhunderten interessant.18 Flavonoide, eine spezielle Gruppe sekundärer Pflanzenstoffe, unterstützen zum Beispiel das menschliche Immunsystem. In der Stevia rebaudiana Bertoni wurden bislang sieben verschiedene Flavonoid-Verbindungen nachgewiesen, darunter auch Rutin, welches bei Venenerkrankungen und Durchblutungsstörungen in größeren Mengen zum Einsatz kommt.
Süßen, Backen, Kochen
In der Küche kann der Verbraucher auf eine Reihe unterschiedlicher Darreichungsformen zurückgreifen. Dazu zählen neben Pulver und Granulat auch Stevia in flüssiger Form und als Tabs.
Da Steviolglykoside hitzebeständig sind, kann Stevia problemlos zum Backen oder Kochen verwendet werden. Im Folgenden werden Empfehlungen zur Zubereitung der verschiedenen Formen gegeben.7,9,13,18
Natürliche Hautpflege
Zur Herstellung eines geeigneten Hautpflegemittels oder einer kosmetisch wirksamen Zubereitung aus Stevia lässt sich am besten ein wässriger Ansatz mit grünem Pulver oder ein Blätter-Absud verwenden. Stevia kann in dieser
Konsistenz in Cremes oder Lotionen, Badewasserzusätze und Gesichtsmasken eingerührt werden.18
Bezugsquellen und Lagerung
Fertige Stevia-Erzeugnisse können Verbraucher in gut sortierten Reformhäusern oder über das Internet erwerben. Nicht selten bieten unseriöse Online-Anbieter Schnäppchen-Angebote mit niedriger Qualität an. Stevia-Produkte seriöser und langjährig etablierter Anbieter sind zwar teurer, garantieren aber qualitativ hochwertige und sichere Ware. Saatgut lässt sich ebenfalls im Internet kaufen, ganze Pflanzen sind inzwischen in vielen Gärtnereien erhältlich.7
Bei der Lagerung sollte beachtet werden, dass vor allem Stevia-Blätter, -Pulver und -Granulat einer trockenen Umgebung bedürfen, deshalb empfiehlt sich die Aufbewahrung in einem luftdicht abgeschlossenen Gefäß. Alkoholische Zubereitungen sind hingegen nahezu unbegrenzt haltbar. Vom Einfrieren der Stevia-Erzeugnisse ist abzuraten.8
Dosierung von Stevia
Die Süßkraft von Tabs oder Flüssigzubereitungen ist indes leichter abzuschätzen, sofern die Verpackung über den Gehalt an Steviolglykosiden informiert.18
10.1 Stevia Süßkraft gegenüber Zucker
Um Stevia-Produkte im alltäglichen Gebrauch richtig einsetzen zu können, muss die starke Süßkraft berücksichtigt werden. Stevia ist grundsätzlich zwischen 300- und 450-mal süßer als Zucker. Die verschiedenen Präparate können sich untereinander in ihrer Süßkraft jedoch zum Teil erheblich unterscheiden. Die Süße der Steviolglykoside steigert sich mit Erhöhung der verwendeten Menge, jedoch nicht kontinuierlich. Der süßliche Geschmack lässt sich ab einer bestimmten Konzentration nicht weiter erhöhen. Die ideale Süßkraft lässt sich am besten schrittweise einstellen. Erfahrene Nutzer stellen sich mit der Zeit meist ihre eigene, individuelle Umrechnungstabelle zusammen.
Süßes Geschmackserlebnis
Von vielen Verbrauchern wird der Geschmack von Stevia-Blättern oder -Pulver zwar als süß bezeichnet, häufig aber auch ein bitterer Nachgeschmack bemängelt. Die Qualität des Ausgangsprodukts übt dabei einen starken Einfluss auf den Geschmack von Stevia-Erzeugnissen aus. Je hochwertiger das Ausgangsprodukt, desto naturbelassener und echter ist die Süße. Hochwertige Steviosid-Präparate zeichnen sich durch eine milde Süßkraft ohne Bitterstoffe aus.7
Mit ein bisschen Übung und dem nötigen Know-how lässt sich die Süßkraft von Stevia geschmacklich sehr fein variieren. Die folgenden Hinweise geben in diesem Zusammenhang eine Hilfestellung:8
1) Nicht nur die Steviolglykoside selbst, sondern auch die Nährstoffzusammensetzung, der pH-Wert und die Temperatur der zu süßenden Getränke und Speisen beeinflussen den Geschmack von Stevia-Produkten.
2) Da Stevia eine geringere Dichte als Zucker aufweist, muss es in alle Gerichte und Flüssigkeiten sorgfältig eingerührt werden. Beim Backen beispielsweise werden aufgrund des Dichteunterschieds auch etwas weniger Flüssigkeit oder mehr Mehl benötigt.
3) Da grünes Stevia-Pulver geschmacksverstärkend wirkt, sollten vor allem bitterstoffhaltige Nahrungsmittel nur vorsichtig gesüßt werden.
4) Alle Stevia-Produkte sollten grundsätzlich nur in leinen Mengen verwendet werden, um den gewünschten Süßungsgrad zu erreichen. Bei einer Überdosierung können auch hochwertige Stevia-Zubereitungen bitter schmecken.
Vorgaben des Gesetzgebers
Stevia-Produkte mit reinen Steviosiden sind seit Dezember 2011 von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zugelassen. Dies gilt jedoch nicht für Stevia-Blätter, denn für Pflanzenteile kann eine maximal zulässige Tagesmenge nur schwer bestimmt werden, da nur eine Schätzung des Wirkstoffgehalts möglich ist. Die Festsetzung des sogenannten ADI-Werts (Acceptable Daily Intake) für Lebensmittelzusatzstoffe obliegt der Expertenkommission der Weltgesundheits-organisation (WHO) sowie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).2
Im Jahr 2004 legten diese den Wert für die maximale tägliche Dosierung von Stevia auf 2 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht fest. Aufgrund neuerer Untersuchungsergebnisse über die Wirkung von Stevia wurde der ADI-Wert im Jahr 2008 angehoben. Dabei bezieht sich die Verzehrempfehlung auf Stevioläquivalente, also den reinen Steviolanteil im Glykosidmolekül.
Für das ganze Steviolglykosid hingegen liegt der Wert bei etwa 10 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Somit wird für einen 70 Kilogramm schweren Erwachsenen aktuell eine maximale Tagesmenge von 700 Milligramm Steviosid-Konzentrat empfohlen. Diese Menge ist in etwa mit 200 Gramm reinem Zucker gleichzusetzen.